Hagendorf - Gemeinde Fallbach

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Kirtag in Hagendorf

Der Kirtag in Hagendorf in den 30er Jahren!

Der Kirtag war für die Mutter das aufregendste Ereignis des Jahres, galt es doch Sonntag und Montag über 20 Gäste zu Mittag und zu Abend zu bewirten.
Onkeln und Tanten aus Fallbach und Ungerndorf und Kirchstetten sowie Göden und Godeln waren zu Gast. Aber schön der Reihe nach.
Der Kirtag wurde schon zur Fastenzeit „aufgenommen“. Es wurde da ein mündlicher Vertrag mit einem Musikanten der Kapelle geschlossen, die den Kirtag spielen sollte. Beim Kirtagaufnehmen gab es für die Burschen etwas zu trinken, das der Musikant zahlen mußte. Auch der „Schullerer“ und der „Einleierer“ (Kegelsetzer) wurden an dem Tag aufgenommen.
Daß Sonntag Kirtag ist, kündigte ein Mastochse an. Ein Geselle meistens der Bankknecht, der auch ins Gey fahren durfte, des Fleischhauers Reisenleutner aus Loosdorf holte ihn meistens von der Brauerei Kühtreiber in Laa an der Thaya. Dieser Ochse war von der Jausenzeit bis gegen Abend am Straßengeländer angebunden und zur Schau gestellt.Er war der Garant, daß die Hagendorfer zum Kirtag erstklassiges Rindfleisch bekamen. Wer den Kirtagsochsen nicht zu sehen bekam, wurde durch ein anderes „Ereignis“ auf dem Kirtag aufmerksam gemacht. Es war das Bühnenholen. Ein paar Burschen holten aus dem Ort, wo die Musikkapelle zuletzt gespielt hatte, Bühne und Plache (Zelt). Gleichzeitig wurde auch die große Trommel mitgenommen. Beim Ortseingang wurde nun die Trommel aus der Kiste genommen und ein Bursch schlug kräftig Tschinellen und die Trommel, während die anderen aus Leibeskräften jauchzten. So wurde mit lautem Tschinderassabumbumbum durchs Dorf gefahren. Die Baßgeige wurde von einem Baßgeigenträger gebracht. Am Samstag wurde von einem Musikanten und den Burschen, die schon das Sonntagnachmittaggewand anhatten, die Bühne gelegt und die Plache aufgestellt. Da durften wir Schulbuben nicht fehlen. Am Samstag gegen Abend – Haus, Hof und Keller waren picopello in Ordnung fuhr der Vater mit dem Steirerwagerl nach Loosdorf ums Rindfleisch. Für den Vater war dies für für bestimmt die liebste Tätigkeit, weil er wußte. Daß im Haus alles zum Besten bestellt war, und weil es beim Reisenleutner ein Krügerl Bier von der Eisgrube gab. Damals gab es noch keinen Kühlschrank. Kaltes Bier hatten auf dem Land nur Wirte, die auch Fleischhauer waren und eine Eisgrube besaßen. Dies war beim Reisenleutner der Fall. Im Vorraum zur Eisgrube stand das Faß Bier, und von dort holte die alte Frau Wirtinjedes Krügel Bier. Wie viele tausend Schritte wird diese Frau in ihrem Leben auf dem Weg von der Gaststube zur Eisgrube und retour wohl zurückgelegt haben? Aber zurück zum Kirtag.
Auch für die Mutter war der Samstag eine Erlösung, Die Kirtagswoche war für sie die aufregendste des ganzen Jahres. Zwei Tätigkeiten belasteten sie sehr: das weiße Brot- und das Gugelhupfbacken. Vor dem Brotbacken fürchtete sich meine Mutter am meisten. Wird es doch nicht aufreißen, das war Mutters größte Sorge. Die Gugelhupfe gerieten meistens problemlos. Wenn nun am Kirtagsamstag in der Speis die Brotlaibe wie Krapfen lagen und die Gugelhupfe nicht zu braun geraten waren, dann, ja dann schickte die Mutter für bestimmt ein inniges Dankgebet zum Himmel.
Am Kirtagsonntag stand die Mutter schon zeitig auf. Noch vor dem Kirchgang holten Vater und Mutter das Rindfleisch und das Bratl vom Keller. Wir Buben ließen uns nach der hl. Messe den ganzen Vormittag nicht mehr blicken. Wir waren nur mehr im Wirtshaus zu finden. Gegen halb zwölf trafen die ersten Musikanten ein. Da wir Buben sc:hon beim Oberlehrer „s‘ Geigna“. lernten, fühlten wir uns zum Notnhalten bevorzugt. Welch eine Ehre war es, wenn man das Notenbücherl des Kapellmeisters halten durfte. Um 12 Uhr begann das Stücklblasen. Vor dem Wirtshaus im Kreis aufgestellt spielte die Kapelle drei Märsche. Die Irkenburschen jauchzten, der älteste schwang den Robisch und hielt in der anderen Hand eine Flasche Wein. Nach dem Stücklblasen ging es zum Essen.
Mittlerweile waren auch die Kirtagsgäste alle eingelangt. Nach dem Tischgebet wurde die Rindsuppe aufgetragen. Daß sie gut war, versteht sich von selbst, wenn man bedenkt, welch großer Brocken Fleisch gekocht wurden war. Eingekocht waren selbstgemachte Nudeln – extra dünn ausgewalkt und fein geschnitten. Nun folgte das Rindfleisch mit Semmelkren. Dazu wurde Weißbrot gegessen. Gott sei Dank, daß der Leib nicht rindhohl war! Der nächste Gang war der Schweinsbraten mit Kartoffelsalat – Kipfler mußten es sein – und wieder Weißbrot dazu. Daß es an Wein nicht mangelte, war selbstverständlich. Für die Frauen gab es auch Siphon (Sodawasser). Den Abschluß bildete das Gansl. Hier wurde zu Mittag nicht mehr so zugegriffen, weil man ja schon beim Rindfleisch und beim Schweinebraten tüchtig zugelangt hatte. Nach dem Abservieren wurden die Gugelhupfe und die Krapferl (kleine Bäckerei) aufgetragen. Wer das Verlangen darnach hatte, bekam einen Schwarzen serviert. Damit war das Mittagessen beendet.
Nun löste sich die Tischgesellschaft auf. Der älteste Bruder, der schon Irkenbursche ar und einen Musikanten zum Essen mitgebracht hatte, begab sich mit ihm ins Gasthaus. Eine Gruppe junger Leute felgte ihnen bald. Onkeln und Tanten traten in den Hof – man mußte ja auch wohin gehen – räkelten sich und gingen dann das Vieh anschauen. Hernach begab man sich auch ins Wirtshaus. Mittlerweile hatte schon der Kirtag – wieder mit dem Stückelblasen – begonnen. Die Gäste, die sich eben zum Wirtshaus bewegten, blieben während des Stückelblasens auf der Gasse stehen, so daß der Platz vor dem Wirtshau5 bald gefüllt war. Nach den 3 Stückln marschierten die Irkenburschen mit der Musik in den Hof des Gasthauses. Auf der Bühne angelangt, bildeten die Burschen einen Kreis, legten die Arme auf die Schultern des Nachbarn und begannen auf einem Fuß zu hüpfen, indem sich der Kreis im Uhrzeigersinn bewegte. Nun begaben sich die Musikanten aufs Orchester, und mit Streichmusik begann die Tanzveranstaltung. Am Rande der Bühne standen die Mädchen – oft in Zweierreihen – und warteten auf die Tänzer. Der·erste Tanz war wohl der aufregendste, denn diesen absolvierte der Bursch mit seiner Auserwählten. Die Aufforderung zum Tanz geschah meistens durch ein Kopfnicken, oft genügte auch ein Wink mit dem Zeigefinger. Wir Kinder sahen von diesem Kirtag wenig, weil wir uns auf der Gasse aufhielten. Da gab es den Zuckerstandler, vor dem sich eine ganze Traube Kinder staute. Auch ein Ringelspiel und eine Schaukel waren meistens da. Das Ringelspiel wurde gleich nach dem Krieg von Menschenhand betrieben. Im „Stock“ tauchten wir Buben an, und lustig flogen die Sessel durch die Luft, während wir oben im Kreis trabten. Dazu spielte der Werkelkasten das Lied „Tief drinn“ im Böhmerwald,….“ War die Walze zu Ende, hörten wir mit dem Antauchen auf, und das Ringelspiel kam zum Stillstand. Im „Stock“ begann nun folgender Ritus. Man rückte jeweils um einen Platz vor, bis man zum „Freiplatz“ kam. Hatte man den erreicht, durfte man einmal umsonst Ringelspiel fahren. Der Sitz, auf dem man Platz nehmen durfte, war durch ein Mascherl gekennzeichnet.
Ein Erlebnis mit der Schaukel werde ich mein ganzes Leben nicht vergessen. Es war beim Ungerndorfer Kirtag. Ein Mädchen, das zu zweit schaukelte und auf der Gegenseite hoch über dem Erdboden war, rief seiner Freundin etwas zu. Diese lief zur Gondel hin und wurde von der Spitze beim Hals getroffen und hoch durch die Luft geschleudert, Ich selbst habe den Hergang des Unglücks nicht gesehen, zwängte mich aber durch die Menschenmenge, die sich um die Verunglückten geschart hatte. Man hatte ein Lavoir mit Wasser herbeigeschafft und versuchte, das Blut wegzuwaschen, während das Mädchen
es war neun oder zehn Jahre alt – verblutete, weil ja die Halsschlagader zerfetzt worden war. Und dieses sterbende Kind mußte ich in meiner Neugier gesehen haben. Wäre ich doch ferngeblieben!
Nun wieder zurück zum Kirtag. Kaum hatte die Musik ein paar Stückl gespielt, war schon eine Burschenschaft vom Nachbarort angekommen. Es begann das Einblasen. Die Musikanten nahmen wieder die Blechinstrumente, und mit klingendem Spiel marschierten die Irkenburschen beim Falter (Falltor) hinaus bis zur Fröschlkapelle. Mit einem Schubkarren wurde ein Faß Bier mitgeführt, und mit einem Willkommenstrunk – der Literstutzen wanderte von Mann zu Mann – wurden die Gäste begrüßt. Nun durften sich die fremden Burschen bei der Musikkapelle Stückl anschaffen. Der eine rief: „Musikanten, wos kostn der Knofl“, ein anderer: „Wann i zur Veverl geh!“. Ein recht Durstiger ließ sich den „Saufaus“ spielen. Letzterer mußte ein Liter Bier in einem Zug durch die Gurgel rinnen lassen, während die Musik den „Saufaus“ spielte. Die Musik kam dem Durstigen insofern entgegen, daß sie ebenso lange spielte, bis der Literstutzen geleert war. Der Schluß vom „Saufaus“ waren dann meistens nur mehr Tonleiter und Kadenzen. War das Faß Bier geleert, zog man wieder mit flotten Märschen ins Wirtshaus. Es folgte nun ein Solo (3 Stückl) für die Gäste. Wehe, wenn da einer dreintanzte! Oft waren diese Solotänze Anlaß für eine Ktrtagsrauferei.
Waren alle fremden Burschen eingespielt, erreichte der Kirtag seinen Höhepunkt. Im Hof herrschte ein „Gesc:hwurwel „, die Kellner – meistens Laien – liefen sich die Füße wund und riefen lautstark „Soß“, sonst hätte sie ja niemand gehört. Der Feigennazl zwängte sich mit seinem Bauchladen durch die Massen. Hatte der schöne Spiegelherzerl! Bei ihm kennte man „g‘rad“, „ung’‘rad“ oder „drei, fünfe, sieben“ setzen.
Geschäftig ging es auch auf der Kegelstatt zu. Wochen vorher war schon die Kegelbahn hergerichtet worden. Sie war mit Krampen aufgehackt werden, hernach mit frischem Lehm, dem Gradn (Grannen) beigefügt waren, neu geformt (stark bombiert) und mit einem Pracker geklopft worden. Zum Kirtag wurde ein Bock (Widder) oder eine Masche, der ein Geldschein (100 Schilling) beigefügt war, ausgespielt. Geschoben wurde auf den Dreier oder Bock. Es waren dies die mittleren drei Kegel hintereinander aufgestellt. Am Nachmittag mußte man sich ~um Kegelscheiben anstellen, so groß war der Andrang. Meistens wurde „Pac k L“ geschoben. Zwei Scheiber mach t en je drei Schübe, wer weniger Kegel hatte~ mußte zahlen. Der Schullerer führte genau Buch: zwei kurze und ein langer Strich. Wurde bezahlt, löschte ein Querstrich die Packl aus. Wenn ein Scheiber die.drei Kegel auf einmal umschob, so wurde der Bock oder Dreier im Register aufgeschrieben. Der Schullerer schrieb den Namen des Kegelscheibers und die Ziffer Drei. Gleich nach dem ersten Weltkrieg wurde die Masche (der Bock) noch vor dem Nachtmahl ausgeschoben, später dauerte dies oft bis Mitternacht.
Wie ging nun das Ausscheiben vor sich? Auf ein Signal des Trompeters verkünde ein Musikant: „Wer einen Dreier hat, soll auf die Kegelstatt!“ Es begann das Auseinanderscheiben. So viele Dreier nun im Register standen, so viele Schübe durfte der Scheiber machen. Schob er wieder einen Bock (Dreier), so wurde der als „Guter Dreier“ angeschrieben. Der Scheiber gehörte nun zu den Stechern. Jeder Stecher durfte nun wieder so viele Schübe machen, als er „Gute Dreier“ hatte. Es dauerte nicht mehr lange, bis der Sieger feststand. Die Masche wurde nun von der Wand genommen und dem Gewinner auf den linken Rockrevers geheftet. Nun begann das Maschen-austanzen. Der Sieger holte sich sein Mädchen (seine Braut) – ebenso die Stecher – und warteten bei der Kegelpudel auf die Musik. Die kam mit den Blechinstrumenten und spielte dem Sieger vorerst einen Marsch, dann wurde auf die Bühne marschiert. Ein Solostück bekam der Gewinner für sich allein, beim zweiten ließ er die Stecher mittanzen und beim dritten seine Freunde. Der Maschengewinner mußte ein Faß Bier zahlen, das während des Solotanzens ausgetrunken wurde, auch die Musikanten fürs Solo.
Gleich nach dem Krieg ging es beim Maschenausscheiben nicht immer reell zu. Da stand oft schon am Nachmittag der Sieger fest. Elektrisches Licht gab es damals noch nicht (erst 1928 eingeleitet). Bei den Bagställen stand eine Kerze. Gute „Helfer“ sorgten dafür, daß im richtigen Moment die Lichter ausgingen und die Kegel purzelten, getroffen von einem abgestumpften Besenstiel. Damit der „richtige“ Mann zu guten Dreiern kam, mußte der Kegelaufsetzer‘ beim Auseinanderscheiben bei ihm den dritten Kegel zwischen dem ersten und dem mittleren Stellen, damit es. leichter ein „Dreier“ wurde. Wer sollte sich aufregen, wo doch sieben bis zehn baumlange Irkenburschen die Sache für gut hielten. Ein Protest hätte nur Watschen eingebracht. Der Reingewinn von der Kegelstatt gehörte den Barschen. Mit ihm wurden die Auslagen (Getränke der Musikanten, Steuern usw.) gedeckt. Die Jungen Irkenburschen konnten von Altburschen leicht „übernommen“ werden. Sie bekamen Ja keinen Robisch in die Hand, Ein Altbursche konnte auf dem Robisch ein Liter Wein aufreißen lassen und sich hierfür Zigaretten nehmen.
Dienstag in der Früh kam das schwere Abschiednehmen. Da wurde zuerst einmal der Jägermarsch gespielt, und den Abschluß bildete das Lebewohl, Musikstücke, die man heute nicht mehr hört. Am folgenden Sonntag gab es den Nachkirtag. Den veranstaltete der Wirt alleine. Er verköstigte die Musikanten, ihm gehörten auch die Einnahmen der Kegelbahn. Gespielt wurde nur mit kleiner Besetzung (8 Mann?). Der Nachkirtag gehörte eigentlich den Einheimischen. Waren sie zum Hauptkirtag als Gastgeber beschäftigt, konnten sie sich am Nachkirtag selbst unterhalten. Wohl kam noch ein Teil der Jugend aus den Nachbarortschaften, Gäste gab es jedoch keine mehr.

Aufgezeichnet von OSR Viktor Eder, 2141 Ameis 147, ein geborener Hagendorfer